Prinzipiell mindestens so unklar wie das Westclox-Rätsel (Ihr erinnert Euch: Das Westclox-Rätsel) ist die Zusammenarbeit der Firma Ingersoll mit Junghans.
Die Brüder Charles und Robert Ingersoll gründeten 1880 einen Versandhandel in New York, 12 Jahre später verkauften sie erstmals Uhren der Waterbury Clock Company. Angetrieben durch den Gedanken, die Fabrikation von Uhrwerken zu automatisieren, um Teile mit gleichbleibender Qualität massenhaft herstellen zu können, fanden die Brüder Vorbilder in der Automobilindustrie, wo bereits einige Jahre am Fließband produziert wurde. Ingersoll war eine der ersten Firmen, die es schaffte, Uhrenteile austauschbar zu machen und damit schnelle Reparaturen zu ermöglichen und Uhren billigst anzubieten.
Legendär war das Taschenuhrmodell „Yankee“, die den sensationellen Verkaufspreis von 1 $ (damals einem Tageslohn entsprechend) betrug und im Jahr 1896 eingeführt wurde.
Ingersoll startete mit der Produktion von Armbanduhren wohl bereits ab 1915, angefangen mit der ursprünglichen Damentaschenuhr Ingersoll „Midget“, deren Gehäuse mit Bandanstößen, der Krone auf drei Uhr und mit Durchzugsarmbändern versehen wurden. Nicht selten wurden die Uhren mit Radiumzifferblättern ausgestattet und trugen anfangs die Zusatzbeszeichnung „Radiolite“, später folgte das Modell „night light“. Diese Innovationen katapultierten Ingersoll an die erste Stelle der Uhrenproduzenten. Angeblich lösten die Radiolite-Armbanduhren die bisher genutzten Taschenuhren der Panzerbesatzungen der Engländer im ersten Weltkrieg ab. In den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts forcierte Ingersoll die Produktion von Armbanduhren.
Das Jahr 1905 könnte für die Zusammenarbeit mit der Firma Junghans wegweisend gewesen sein, denn ab diesem Jahr firmierte Ingersoll mit einer Filiale auch in England (London) und ab 1916 als eigenständige Company, allerdings nur bis 1922, als die Firma an die Waterbury Clock Co. übergeht. Alle von mir aufgetanen Uhren, die Junghans-Werke beinhalten, stammen aus den Jahren 1927 – 1937, wobei die größte Anhäufung um die Jahre 1931 – 1932 liegt.
Dies legt die Vermutung nahe, dass die Kooperation um die Jahre 1931 – 1932 gelegen haben könnte (inzwischen habe ich neue Hinweise, dass die Zusammenarbeit doch deutlich länger dauerte, oder später nochmals aufgenommen wurde, dazu mehr weiter unten...)
Produktionsdaten der Werke:
Ingersoll scheint mit verschiedenen deutschen Uhrenfirmen zusammengearbeitet zu haben, so ist auch mit der Firma Thiel eine Kooperation um die Jahrhundertwende bekannt.
Das zeigt auch diese Uhr, eine Ingersoll Tudor (leider ohne Zeiger) mit einer Version des Thiel Divina (vermutlich eine frühe Version um 1910):
Doch zurück zu Ingersoll und Junghans. Bis auf eine (Spanien) wurden alle Uhren in England erworben (auch die Ingersoll Tudor/Thiel Divina).
Alle Modelle sind sowohl auf dem Zifferblatt als auch auf den Werken mit „FOREIGN“ gemarkt.
Die Zeiger der zweiten Uhr, bei der das Gehäuse fehlt, sind original. Leider ist der Stundenzeiger am Ansatz deutlich verbogen, bei einem etwaigen Biegeversuch würde dieser sehr wahrscheinlich abbrechen.
Ein neue Tür öffnet sich und bringt in Form einer Uhr einen neuen Baustein zur Lösung des Ingersoll-Rätsels - so wie es aussieht, ging die Zusammenarbeit mit Ingersoll doch deutlich länger als ich oben im Text vermutete.
Aufgrund der bislang gefundenen Uhren war meine Vermutung, dass die Kooperation um die Jahre 1931 – 1932 gelegen haben dürfte. Das widerlegt aber folgende Uhr, die ich in England aufgetan habe:
Die Uhr ist auf dem Zifferblatt mit INGERSOLL und SHOCK PROOF bedruckt, über der bei der 6 befindlichen kleinen Sekunde steht LEVER 15 JEWEL, unter der kleinen Sekunde: FOREIGN
Der Rückdeckel der Uhr ist ohne Gravur, das Werk (Kaliber Junghans J98/1 oder Junghans 698.72) wiederum zeigt beide Firmen, den achtzackigen Junghanstern mit dem darin befindlichen J und der Bezeichnung 98 für das Kaliber, darunter steht: Ingersoll 15 jewels lever
Bekanntlich wurde das Junghans J98 in den Jahren 1951 bis mindestens 1955 produziert. Also dürfte die Zusammenarbeit der beiden Firmen in dieser Zeit wieder aufgelebt oder bis dahin unterhalten worden sein.
Falls jemand noch weitere Uhrenbelege oder Informationen zur Zusammenarbeit zwischen Ingersoll und Junghans sein Eigen nennt, würde ich mich über eine kurze Nachricht freuen!