Die Ur-Minivox: Das Vorserienmodell der Junghans J89

Ein Mythos bekommt ein Gesicht - Junghans J89 Minivox Vorserienmodell

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Junghans J89 Minivox; Vorserie; Front; foto: Fischer; Sammlung/collection: Junghans/Schramberg

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Junghans J89 Minivox; Vorserie; Front; foto: Fischer; Sammlung/collection: Junghans/Schramberg

Es gab etliche bedeutende Patentstreitigkeiten und Wettläufe in der Geschichte, um Erfindungen auf den Markt zu bringen: Samsung gegen Apple, Google gegen Microsoft, Graham Bell gegen Elisha Gray oder Thomas Alva Edison gegen Emil Berliner.

Auch Junghans kann einen handfesten Patentstreit liefern -  gegen die damals im schweizer La Chaux-de-Fonds ansässige Firma Vulcain (Fabrique de Montres Vulcain).

Bei dem Patentstreit ging es um den Membranboden der Uhr, der den Klang des Weckers durch mehr Ressonanz verstärken sollte. Junghans verlor den Patentstreit gegen das von Vulcain bereits 1947 lancierte Modell "Cricket".

Dabei hätte das von dem genialen Konstrukteur Albert Letsche konstruierte Gehäuse der Junghans J89 in seiner Urversion doch mehr zu bieten als Vulcains "Cricket", denn die Tonstärke ließ sich mittels eines kleinen Hebelchelns auf dem Membranboden verstellen.

Der Membranboden

- mit Stellhebel und Schalllöchern (Vorserie) und ohne (Standardserie)

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Junghans J89 Minivox; Vorserie; Rückseite; back; foto: Fischer; Sammlung/collection: Junghans/Schramberg

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Junghans J89; Junghans 689.70; Minivox; Rückseite; Back; Standardserie

Letsche, der verletzt aus dem Krieg zurückkahm, begann sofort mit der Konstruktion des Junghans J89 sowie des legendären Junghans Chronographen J88. Die Konstruktion des J89 war wohl bereits nach einem halben Jahr fertig und erreichte laut Letsche bereits 1946/47 Serienreife.

Die ursprüngliche Konstruktion des Gehäuses des J89  wies noch einen doppelten Membranboden auf (Patent und Patent), der einen lauten Weckton versprach und mit einem kleinen Hebel zur Lautstärkeregulierung ausgestattet war. Leider ließ sich Vulcain diesen doppelten Boden vor Junghans patentieren. Letsche war also gezwungen, die Tonlautstärke anderweitig zu optimieren und löste dies durch ein perfektes Befestigen des Membranbodens im Gehäuse und eine perfekte Positionierung der Verankerung des Hebels, auf den das Hämmerchen aufschlägt. Die beste Position ist das Zentrum des Membranbodens. Zugleich wurde getestet, welches Material die besten und lautesten Eigenschaften aufwies. Aus dem Patent: „Die Tonstärke und -reinheit kann noch gesteigert werden, wenn folgende Maßnahmen getroffen werden, wobei diese bereits einzeln für sich, insbesondere aber im Zusammenwirken einen Erfolg bringen: Der Weckerhammer soll wenigstens an seinem Aufschlagteil aus gehärtetem Stahl bestehen; vorzugsweise ist auf einen nichtgehärteten Hammerkörper ein gehärtetes Schlagstück aufgenietet. Wie sich bei ausgedehnten Versuchen gezeigt hat, wird die maximale Tonstärke bei einer Aufschlagzahl des Hammers zwischen 25 und 37 in der Sekunde, im Mittel vorzugsweise 31 erreicht.“

Um eine möglichst große Feder für das Laufwerk zur Verfügung zu haben, die durch eine konstantere Kraftabgabe deutliche Vorteile gegenüber kleineren Federhäusern bietet, baute er nur ein einziges Federhaus ein, anstatt wie viele Mitkonkurrenten zwei Aufzugsfedern für Lauf- und Weckwerk zu nutzen.  Dadurch steht immer das gesamte und gleichmäßige Drehmoment der Zugfeder für eine bessere Reglage zur Verfügung. Durch das Unterbringen nur eines Federhauses bleibt mehr Platz für das eigentliche Uhrwerk zur Verfügung.

Trotz der Nutzung nur einer Feder liegt die Dauer des Läutens bei stattlichen 10 sec und durch die Verwendung eines Läutwerkanhalterades stehen nach Ablauf des Weckers immerhin noch 30 Stunden Gangreserve zur Verfügung.

Wie aus der Patentschrift ersichtlich legten die Konstrukteure bei der Anordnung der Bedienelemente bewusst Wert auf eine Ähnlichkeit der Uhr mit einem Chronographen.

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Junghans J89 Minivox; Vorserie; Rückseite; back; foto: Fischer; Sammlung/collection: Junghans/Schramberg

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Junghans J89 Minivox; Vorserie; Front; foto: Fischer; Sammlung/collection: Junghans/Schramberg

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Junghans J89 Minivox; Vorserie; Kronen; crowns; foto: Fischer; Sammlung/collection: Junghans/Schramberg

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Junghans J89 Minivox; Vorserie; Rückseite; back; foto: Fischer; Sammlung/collection: Junghans/Schramberg

Das Junghans J89 ist sehr einfach zu bedienen:

Die mittlere Krone dient der gleichen Handhabung, die man von einer „normalen“ Uhr gewohnt ist. Aufzug der Zugfeder und in gezogener Position Stellen der Uhrzeit (in beide Richtungen).

Die Krone bei 2 ist für das Stellen des Weckerzeigers. Dieser ragt durch seine Länge bei den frühen Minivox-Zifferblattdesigns in die äußere Skala  und ist in 10 Minuten Schritten problemlos ablesbar.

Der kleinere, nicht-gerändelte Knopf bei  4-Uhr dient dem An- und Abstellen des Weckers und kann kaum versehentlich abgestellt werden, da er nur in gedrückter Position den Weckvorgang ermöglicht. Das Eindrücken bedarf jedoch eines gewissen Widerstandes.

Ein kleiner Hinweis für Bastler: Beim Aufpressen des Rückdeckels ist darauf zu achten, dass die Aufzugskrone dabei senkrecht nach oben steht und die Kerbe im Deckel sich mit der Nase am Gehäuse deckt. Nur so ist gewährleistet, dass der Hammer in der richtigen Position steht und keinen Schaden beim Schließen des Deckels nimmt.

Das Kaliber J89 gibt es in verschiedenen Ausführungen:

Als Kaliber J89-2 mit nur 17 Steinen (für den amerikanischen Markt; weniger Steine wegen der sonst höheren Zolleinfuhrgebühren), z. B. für Bulova

Als Kaliber 89-3 mit erhöhten Zeigerrohren für gewölbte Zifferblätter

Die späteren Versionen weisen eine kleine Änderung auf, dadurch hat sich die bis dahin verwendete Anzahl der Steine von 20 auf 21 erhöht, denn die Friktionsfeder des Sekundenzeigers erhielt eine zusätzliche Steinlagerung um die Reibung zu verringern. Außerdem wurde später eine kleine Feder, die ein Zahnrad an das Weckzeigerrad andrückt, verbaut um hier zu verhindern, dass die Zähne bei beginnender Verharzung der Schmiermittel nicht mehr eingreifen konnten.

Weitere Informationen: Junghans J89; Junghans 689.70

Nutzung der Fotos: Mit freundlicher Genehmigung der Firma Junghans/Schramberg; with kind permission: Junghans/Schramberg