Der äußere Fundzustand der Uhr konnte nichts und alles bedeuten. In den alten elektromechanischen Uhren befindet sich in der Regel eine Batterie, es sei denn, der Vorbesitzer hat diese ausgebaut und die Uhr zum Lagern ohne möglicherweise auslaufende Batterie weggelegt. Doch wer bequemte sich damals schon die Batterie bei einer alten Uhr auszubauen, wenn die neue Uhr ins Haus stand und die alte Energieversorgung leer war.
Dann kann man nur hoffen, dass die Batterie nicht sehr ausgelaufen ist und das Werk nur geringe Schäden aufweist.
Bei der Inspektion fiel auf, dass die Uhr am Speidel-Flex-Armband einen Kalenderclip trägt. Mit diesen monatlich gewechselten Clips ließ sich zum entsprechenden Wochentag das jeweilige Datum ermitteln. Erstaunlicherweise war der Clip aus dem Monat Mai und dem Jahr 1976 und damit ist diese Uhr höchstwahrscheinlich 40 Jahre nicht mehr in Betrieb gewesen.
Eine Menge Schutzdeckel waren zu entfernen. Der kleine Schraubdeckel lässt den Blick auf die Batterie frei, bei der die kleine Batteriefixierung fehlte. Der Batteriedeckel ist mit einer eigenen Gummidichtung gesichert.
Der komplette Rückdeckel ist gepresst und kann über einen seitlichen Schlitz geöffnet werden.
Ein weiterer Schutzdeckel erscheint, der nur aufgelegt ist. Nach dem Abheben ist der Blick auf das Werk frei.
Der Blick auf das Werk ist frei. Leider hat die Batterie, die vermutlich noch aus den 70er Jahren stammt, ihre Spuren hinterlassen. Weiße Flocken sind über das gesamte Werk verteilt.
Normalerweise gehört über die Batterie noch eine kleine Halterung, die ich glücklicherweise in meinem bescheidenen Ersatzteilfundus finden konnte.
Auf dem Werk sind diverse Gravuren. Obwohl auf dem Zifferblatt Matthey-Doret, ist auf dem Werk geprägt:
SHEFFIELD 600.11
Einige Patentnummern sind zu finden:
Die Seriennummer des Werkes: 168463
und unter der Unruh: Das altbekannte Junghans Logo, das J im achteckigen Stern.
Auf der Plastikabdeckung des Elektronikbauteils steht:
MADE IN GERMANY
SEVENTEEN (17) JEWELS
UNADJUSTED
10
Zu Sheffield lassen sich auf der Webseite http://www.mikrolisk.de/trademarks/ Hinweise zu mehreren Firmen in New York finden, die Ende der 1950er Jahre gegründet wurden. Zu Matthey-Doret findet sich zunächst nichts passendes. In Le Locle in der Schweiz war wohl eine Uhrenmarke mit diesem Namen ansässig, die jedoch mit der gezeigten Uhr nichts gemein haben dürfte. Vielleicht wurden die Namensrechte von Sheffield aufgekauft und genutzt. Das Gehäuse der Uhr wurde allerdings in der Schweiz gefertigt.
Fraglich ist, ob Sheffield die Werke von Junghans bezogen hat oder Junghans hinter dieser Markengründung in New York steht, um dort auch noch Uhren abzusetzen. Das Logo beider Firmen (Sheffield und Matthey-Doret) mit dem fünfzackigen Stern erinnert schon stark an das Junghans-Markenlogo.
Bei der genaueren Inspektion fiel der weiße, flockige Dreck auf, den die ausgelaufene Batterie hinterlassen hatte.
Das so etwas noch schlimmer kommen kann, habe ich jüngst bei der Revision einer anderen Junghans mit dem Kaliber 600.11 feststellen müssen, hier ein Blick unter die Platine der Elektronik besagter Uhr (diese hier: Sheffield):
Aber auch diese Uhr ließ sich wieder gangbar machen.
Zurück zur Matthey-Doret:
Das Batteriefach weißt unter dem Kontaktplättchen mit den drei Fingern eine kleine Runde Plastikfolie auf, die davor schützen soll, dass die Batterie in Berührung mit dem zifferblattseitigen Deckel kommt. Diese darf bei einer Reinigung nicht verloren gehen. Gut zu sehen ist die Folie an den Ablagerungen der Verschmutzung am Rand der Folie.
Das Zifferblatt war bis auf einen Kratzer zwischen 7 und 8 Uhr schön erhalten und alle Leuchtdots waren vorhanden. Bei dem letzten Foto der Reihe kann man erkennen, dass auch herstellerbedingt schon leichte Größenunterschiede der Dots auftauchen (über dem 12 Uhr-Index). Die Zeiger ließen sich problemlos entfernen, wie fast immer wurde auch hier das Zifferblatt mit einer doppelten Lage Frischhaltefolie vor den Kanten der Abhebelwerkzeuge geschützt. Der Sekundenzeiger dürfte nicht original sein, bei der Uhr müsste ein vergoldeter Zeiger verbaut sein.
Unmengen Dreck rieselte beim Drehen aus der Uhr.
Nach dem Ausschalen aus dem Gehäuse musste das Zifferblatt weichen. Die Uhr besitzt einen weiteren Schutzdeckel, der seitlich kleinste Löcher zeigt, durch die die Schräubchen, die die Zifferblattfüße fixieren, erreicht werden können.
Nachdem das Zifferblatt entfernt war, fiel der Blick auf den zusätzlichen Schutzdeckel, der unter dem Zifferblatt liegt.
Nach Abheben dieses Deckels ist auf der Innenseite gut die Plastikfolie zum Schutz der Batterie zu sehen.
Jetzt kann die Demontage Schritt für Schritt weiter erfolgen. Zur Entfernung der empfindlichen Unruh musste zunächst die kleine Elektronikbaugruppe weichen, da die Magnetspule selbiger in die beiden Teile der Unruh ragt.
Nachdem die Unruh entfernt war, kam der ungewöhnlich geformte Anker und sein Ankerrad zu Tage.
Hier auf der Grundplatine fand sich auch der Produktionscode (D9), der das Werk auf April 1969 datieren lässt.
Ein langer Hebel ragt in Richtung Unruh: Der Hebel für den Unruhstoppmechanismus, der bei gezogener Krone von oben auf den unteren Rand der Unruh drückt, diese dadurch stoppt und die Uhr sekundengenau einstellbar macht.
Im Zentrum der Unruh, dort wo der Zapfen der Unruhwelle hineinläuft, fiel mir ein kleines Ringlein auf, dass leicht verschoben dort lag (roter Pfeil). Dieser Ring würde mir später noch leichtes Kopfzerbrechen machen...
Die Unruh mit ihrer Zweiteilung trägt in ihrem Inneren mehrere kleine Magnete, die von der Spule des Transistors angesteuert werden.
Bei Sicht auf das Räderwerk zeigt sich das Zentral-Sekundentrieb, das eine kleine Kunststoffführung für die fast haardünne Friktionsfeder hat. Über eine kleine Schraube auf der Oberseite der Platine kann der Anpressdruck der Feder variiert werden.
Jetzt konnten Schritt für Schritt die Räder des Räderwerks weichen.
Gut zu sehen ist jetzt auch der lange Hebel für den Sekundenstopp, der bei gezogener Krone in die Unruh eingreift und diese fixiert. Wie eine winzige Kaskade läuft der Hebel über die Platine nach unten.
Der Anker konnte demontiert werden. Da anders als bei herkömmlichen mechanischen Uhren bei den Uhren mit Unruhmotor der Antrieb nicht vom Federhaus in Richtung Hemmung läuft, sondern in umgekehrter Richtung von der Unruh über den Anker an das Ankerrad weitergegeben wird, ist der Anker und das Ankerrad deutlich anders geformt als man dies sonst kennt.
Unter dem Anker ein winziger Magnet, der den Anker bei Berührung sofort in die jeweilige Richtung schnellen lassen. Normalerweise verflucht man Magnetismus in Uhren, hier ist er genutzt.
Trotzdem hat die Uhr eine zusätzliche Abschirmung vor Magnetismus durch den unter dem Zifferblatt liegenden Deckel...
Die Demontage der zifferblattseitigen Teile konnte beginnen. Auf dem Foto neben der Aufzugswelle ist das kleine Ringlein zu sehen, das mir aus dem Werk entgegengepurzelt kam. Wie sich nach Rückfrage mit einem Experten aus dem Uhrforum herausstellte, ist es eine Lagerschale der Unruh-Stoßsicherung. Das es so etwas gibt, war mir bis dahin nicht bekannt. Bei der Remontage war es nicht leicht, das kleine Teil wieder an Ort und Stelle zu bugsieren.
Die Star-Shock Sicherung, die nur für Junghans-Werke genutzt wurde, hat eine lyraförmige Feder, die über den Deckstein, der in dem in seinem Lochstein liegt, gespannt ist. Die beiden Enden der Feder werden ausgespannt (ich mache dies immer mit einem dickeren Ölgeber), die Lyra wird zurückgeklappt und der Deckstein herausgenommen. Oft sind Deck- und Lochstein miteinander verklebt, dann können beiden entnommen werden und müssen anschließend vor der Reinigung gelöst werden.
Die Feder wird danach wieder geschlossen.
Gleiches folgt mit der Stoßsicherung auf der Unruhseite.
Die Feinregulierung auf dem Unruhkloben erfolgt mittels einer Exzenterschraube, die eine hervorragende Möglichkeit für eine sehr feine und gut dosierbare Einstellung gibt.
Gut ist in der Mitte der nun führungslose Zapfen der Unruhwelle zu sehen.
Die Teile, die nicht in die Reinigungsmaschine kommen, werden separat abgelegt.
Leider hat sich einer der Leuchtdots gelöst. Da die Leuchtmasse beim Trocknen schwindet, muss diese immer mehrlagig aufgebracht werden.
Das Zifferblatt war schließlich an Ort und Stelle, die Zeiger wieder aufgesteckt (der Sekundenzeiger ist nicht original) und eine neue Batterie wurde eingelegt. Und die schönste Belohnung:
Die Uhr lief sofort los.